Im Jahr 2005 war es endlich soweit: Ein Ruck sollte durch Deutschland gehen! Schluss mit all den tristen, deprimierenden Meldungen, mit denen jeder Deutsche tagtäglich konfrontiert wird. Positive Stimmung sollte angesagt sein! Und wer schon einmal versehentlich oder gar gezwungenermaßen in Deutschland zu Gast sein musste weiß: Kein Land auf dieser Erde benötigt mehr positive Stimmung als eben dieses.
Deshalb wurde die Initiative „Du bist Deutschland“ ins Leben gerufen – grundsätzlich höchst löblich, wäre nicht einiges schiefgelaufen. Findige Historiker fanden heraus, dass bereits 70 Jahre vorher ein ähnlicher Slogan von den Nazis instrumentalisiert worden war.
Im geschichtsbewussten Deutschland, das seine Vergangenheit seit Jahren mit Schecks, Mahnmalen und unablässigen Selbstanklagen aufarbeitet, ein schwerer Schock: Schon die Nazis hatten das Wort „Deutschland“ für ihre Propaganda benutzt!
Der eigentliche Fehler der Kampagne lag jedoch ganz woanders, nämlich in der Auswahl der Unterstützer. Gewiss: Sarah Connor, Patrick Lindner oder Olli Kahn stellten prominente Namen mit Zugkraft dar.
Aber repräsentieren Schnulzensänger oder Fußballer tatsächlich Deutschland? Welche positive Stimmung können schwerreiche Prominente auf den Durchschnittsbürger übertragen?
Das ganze Konzept war somit von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Weitaus ehrlicher und sinnvoller wäre es gewesen, tatsächlich repräsentative Bevölkerungsschichten für Deutschland werben zu lassen. Etwa ein bierbäuchiger Sofaquäler mit einer Flasche Pils in der Hand.
Oder ein hirn-gepiercter Teenie: „Ey, Deutschland! Voll krass, ey! Checkste voll ab mit Schule und so Scheiß, ey!“
Und wenn schon prominente Gesichter, dann bitte ehrliche, wie Kader Loth: „Ich kann nix, außer mir selber toll zu finden, habe meine Lippen mit Bockwurst aufspritzen und meinen Kopf mit Helium füllen lassen, verdiene mir aber trotzdem dumm und tussig. Ich liebe diesen Land!“
Ganz zu schweigen von den kitschigen Hintergrundmelodien und typisch deutschen Landschaften. Was für ein Unsinn! Poppiger wäre Mallorca gewesen; Sangria-Partys, kotzende Leute, gruselige Schlagersänger und peinlich berührte Einheimische. Ja, das wäre das echte Deutschland gewesen!
Das i-Tüpfelchen auf dieser völlig vergurkten Kampagne waren die Slogans, etwa: „Ein Schmetterling kann einen Taifun auslösen.“
Hilfe! Tötet die Schmetterlinge, ehe Deutschland von Taifunen verwüstet wird!
Ganz im Sinne der üblichen Verschlimmbesserung wurde die Kampagne überarbeitet. Das neue Ziel: „Ziel der Neuauflage ist es, eine positivere Einstellung gegenüber Kindern in Deutschland zu vermitteln.“
Wow, toll, wie mutig aber auch! Das ist ja quasi eines der großen Tabuthemen in Deutschland, die schreckliche Kinderfeindlichkeit!
Aber ernsthaft: Wie erbärmlich ist das denn? Ich darf erneut zitieren: „die Menschen motivieren, sich verstärkt für Kinder zu engagieren“.
Ah, ja. Das ist schön unverbindlich und es kann sich auch keiner daran stoßen. Somit ist die neue Kampagne das Pendant zu ähnlich sinnvollen Aktionen gegen Krieg oder Hunger, in deren Rahmen sich Prominente vor die Kamera stellen und sagen: „Also, Krieg finde ich echt voll doof und überhaupt nicht gut!“
Trotzdem: So läuft das Spiel nun einmal. Ähnliches kennen wir ja aus der Politik. Ein Quereinsteiger, der etwa eine völlige Entrümpelung der Steuergesetze, Entbürokratisierung oder Subventionsabbau fordert und dies provokanterweise auch noch argumentativ untermauern kann, ist schneller von der Bildfläche verschwunden als ein HSV-Fan im Bayern-Block.
„Hm? Wer? Kirchhof? Nie gehört. Aber zurück zum eigentlichen Thema: Wir müssen mehr soziale Gerechtigkeit schaffen bla-sülz-hohle-phrasen-dresch.“
Hm. Solche Politiker sind also Deutschland?
Das arme Land …