Vor wenigen Tagen erklärte uns Bundespräsident Wulff, dass der Islam wie Christentum und Judentum zu Deutschland gehöre. Gleichzeitig sorgte er für Aufsehen, als er auch noch "Offenheit und Toleranz" forderte. Von den Deutschen, klar - schließlich sind es diese, die Ehebrecherinnen steinigen, Homosexuelle öffentlich aufknüpfen und Kinder rituell beschneiden. Es gibt noch viel zu tun, um dem Deutschen das Böse auszutreiben. Dafür braucht es gute Freunde und Vorbilder, weshalb unser aller Bundespräsident in jenes Land reiste, das die nazifaschistischen Deutschen mit den Segnungen des Islam zu retten versucht: Die Türkei.
"Bild", das mutige und überparteiliche Organ der Opfer von Intoleranz, verfolgte diesen Besuch mit der gebotenen Aufmerksamkeit und dokumentierte, wie das menschgewordene, gute Gewissen der schlechten Deutschen die Türkei mit seiner Anwesenheit beehrte.
Verdient hätten es diese undankbaren Türken wahrlich nicht: Die ergreifende Rede unseres Bundespräsidenten erhielt kaum Beachtung.
Der Saal nicht einmal halb gefüllt, nur wenige der rund 200 Abgeordneten in den orangefarbenen Ledersesseln erhoben sich, viele stürmten sofort aus dem Plenarsaal.
Das sind ja Zustände wie im Bundestag!
Dabei hatte ER doch ausgesucht unverbindliche und schleimige Worte benutzt:
„Ihr Land verbindet ein modernes Staatsverständnis mit einem modernen Islam“, sagte Wulff zu den türkischen Abgeordneten, nannte die Türkei „eine Brücke zwischen Orient und Okzident“
Und:
„Die Muslime in Deutschland können ihren Glauben in würdigem Rahmen praktizieren. [...] Gleichzeitig erwarten wir, dass Christen in islamischen Ländern das gleiche Recht haben, ihren Glauben zu leben.“
Ja, darauf warten wir. Und während wir warten hoffen wir, dass auch Satanisten ihren Glauben in würdigem Rahmen praktizieren können. In Deutschland und in den islamischen Ländern. Weil: Gleiches Recht für alle! Toleranz! Offenheit!
Aber zurück zum Staatsbesuch, der ganz im Zeichen der First Lady - die eigentlich Herrn Wulffs zweite Lady ist - stand. Und so erlebte "Bild" ihren historischen Besuch in der Hagia Sophia:
Staunend stand sie in der Blauen Moschee, um ihre blonden Haare ein dunkelblau schimmerndes Kopftuch gehüllt.
Leider wollte und wollte sich einfach kein Heiligenschein manifestieren. Dabei gäbe es keinen geeigneteren Ort für Toleranz und Offenheit als die Hagia Sophia, die ursprünglich eine Kirche war, ehe sie von den Osmanen erobert und geschliffen wurde.
Ihr Stil wird weit über deutsche Grenzen hinaus zur Kenntnis genommen. Die schwarzen Stiefel, die sie beim Besuch im russischen Kreml trug, ein Gesprächsthema Tausende Kilometer entfernt.
Weil: Deutsche in schwarzen Stiefeln, die Russland besuchen, haben einfach Tradition ...
Und dann jenes Treffen, auf das die ganze Welt gebannt gewartet hatte: Unsere First Lady traf auf die First Lady der Türken!
Hayrünnisa Gül, die mit 15 heiraten musste, wegen ihres Kopftuchs nicht studieren durfte und seitdem für ihren islamischen Glauben kämpft.
Hier liegt natürlich ein bedauerlicher Übersetzungsfehler vor: Frau Gül musste nicht heiraten, sondern durfte heiraten. Verständlich, dass sie seither für das Recht von geschlechtsreifen jungen Frauen kämpft, heiraten zu dürfen.
„Hayrünnisa Gül ist eine sehr moderne und selbstbewusste Frau, die ihren Glauben so lebt, wie sie es will“, sagte Bettina Wulff der wichtigsten türkischen Zeitung „Hürriyet“. „Das schätze ich sehr.“
Ich stimme unserer First Lady zu: Es ist schön, seinen Glauben leben zu dürfen, wie man möchte. Und das darf man ja sowohl bei uns, als auch in gewissen anderen Ländern. Solange es sich um den richtigen Glauben handelt, ist es ja kein Problem ...